Notstands-Happening, 1968
Foto: Branko Senjor, aus „Sechziger Jahre – Umbruchjahre“

Fotografien aus der Münchener Kunstakademie. München 2006

Lehrtätigkeit an der akademie der bildenden künste, münchen, [1946–1986]

- - -An der Akademie der Bildenden Künste in München unterrichtete Aloys F. Gangkofner neben seiner entwerferischen Tätigkeit von 1946 an fast vier Jahrzehnte. In dieser Zeit gab es im süddeutschen Raum nur noch an der Akademie der Künste in Stuttgart eine vergleichbare Ausbildung. Gangkofners Glaswerkstatt war der Abteilung Innenarchitektur zugeordnet und dem Lehrstuhl für dekoratives Malen und Innenraumgestaltung angeschlossen. Durch den Einbau eines Glasofens in der Keramikwerkstatt, der von etwa 1954 bis 1960 bestand, konnten die Studenten mithilfe Waldsassener Glasmacher das freie Arbeiten am Ofen kennenlernen. 1973 erhielt Gangkofner die Honorarprofessur, aber erst 1983 – auf Betreiben der Studenten – wurde ein eigenständiger Lehrstuhl für Glas und Licht geschaffen. Gangkofners Nachfolger war Ludwig Gosewitz, der den Lehrstuhl bis 2001 innehatte. Danach ging er im Lehrstuhl für Keramik und Glas auf.

Mit den Studenten in der Glashütte von Alfredo Barbini, Murano

Foto: Privatarchiv

Montage eines Lüsters, Aloys Gangkofner und sein Sohn Matthias Gangkofner,
auf den Schultern Henriette Haniel von Haimhausen

Foto: Privatarchiv

Auf Exkursion

Foto: Privatarchiv

Texte ehemaliger studenten

 

 - - -BERNHARD SCHAGEMANN
Freischaffender Künstler
Direktor der Staatlichen Fachschule für Glasindustrie in Zwiesel a. D.
Student an der Akademie der Bildenden Künste in München, 1954–1960

- - -Gangkofner war sicher ein guter Lehrer, aber eben in der von uns Studierenden geschätzten, ihm ganz gemäßen Art. Er lehrte nicht mit dem Zeigefinger, viel eher durch Hinweise und Ratschläge, auch, indem er uns teilhaben ließ an seinen eigenen Arbeiten und mit uns zusammen arbeitete und diskutierte. Trotz seines oft überschäumenden Temperaments war er äußerst bedächtig in der Führung seiner Studenten und vermied jede Bevormundung.

Für Außenstehende mochte dies vielleicht nach Laisser-faire oder mangelndem Interesse aussehen. Wir Schüler, die wir seine Zuwendung und seine Anteilnahme an unserer Arbeit erlebten, konnten auf solche  Gedanken schwerlich kommen. Wir schätzten den großen Spielraum, den er uns ließ, und dass er von uns nie „Gangkofnerentwürfe“ erwartete. Nur in einer Sache konnte er einen gewissen Widerwillen nicht verbergen: Schlampige Arbeit, sei sie zeichnerisch oder handwerklich, mochte er gar nicht. Verständlich – hatte er doch seine Ausbildung in der Zwiesler Glasfachschule unter Professor Bruno Mauder gemacht. Da konnte er uns auch in dieser Beziehung leicht Vorbild sein.

Ich denke vor allem auch an die Reisen, die er uns in seiner noblen Großzügigkeit spendierte. Nicht, dass wir diese Großzügigkeit bewusst ausgenutzt hätten, aber wir haben sie doch sehr genossen, hätten wir uns doch vieles nicht leisten können. So konnte es passieren, dass er eines Nachmittags in die Klasse trat und fragte: „Wer fährt morgen mit zur Messe nach Mailand?“ (Er sollte dort einen Preis in Empfang nehmen.) „Bitte morgen früh pünktlich sein und die Pässe nicht vergessen.“ Oder ein anderes Mal: „Ihr kennt alle keine antiken Gläser. Da läuft gerade eine große Ausstellung in Zürich, ‚Glas aus vier Jahrtausenden‘, es würde Euch guttun, Euch zu informieren, und bitte Skizzenbuch und ein paar Farbstifte nicht vergessen.“ Wir waren  begeistert dabei, mit dünnem Geldbeutel versteht sich. Er nahm uns mit in den Bayerischen Wald, seine eigene Heimat. Wir haben die Glashütten besucht und die Zwiesler Glasfachschule, wanderten allein oder mit ihm – Rachel, Lusen, Martinsklause. Im Gartenhaus des Bildhauers Theuerjahr hatte er uns Quartier besorgt.

Schließlich Waldsassen. Es war die Zeit, in der Gangkofner an vielen Wochenenden in der Antikglashütte Lamberts mit den Glasmachern seine fantasievollen farbigen Glasgefäße fertigte. Es war schon ein Fest,  wenn wir Schüler am Montagvormittag seine neuesten Kreationen auspacken halfen. Da bewunderten wir ihn wirklich sehr. Und dann endlich, in der Faschingswoche, hat er uns mitgenommen. Unvergessliche Tage,  in der Nacht Fasching feiern, aber in der Früh um 5 Uhr in der Glashütte sein und am Ofen miterleben, wie diese schönen Gläser entstehen. Dies war alles ungeheuer beeindruckend und für die Zukunft prägend. Es waren sehr reiche und schöne Jahre, an die ich dankbar zurückdenke.

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KARL BERG
Freischaffender Künstler

Studien- und Assistentenzeit bei Aloys F. Gangkofner, 1962–1982

- - -Meine Zeit an der Kunstakademie in München unter bzw. mit Aloys F. Gangkofner begann im Jahr 1962, als ich als Student an die Akademie kam, um Glasgestaltung zu studieren. Aloys F. Gangkofner leitete dort die Klasse Glasgestaltung, die damals zum Fachbereich Innenarchitektur – Professor Hillerbrand – gehörte. Zu dieser Zeit gab es nur wenige Studenten, die sich dem Glas verschrieben hatten. Schnell mussten wir lernen umzudenken, denn der Studienbetrieb an der Akademie verlief ganz anders als der Unterricht an den Glasfachschulen, von denen wir in der Regel kamen. Nun hieß es, selbstständig Möglichkeiten in der Glasbearbeitung und Glasgestaltung auszuprobieren und sich zum Teil vom Glas als Gebrauchsgegenstand zu verabschieden. Mit Aloys F. Gangkofner hatten wir hier einen Berater zur Seite, der uns viele Impulse geben konnte, aus einem Glasgefäß
oder einem Glaskörper ein Objekt zu gestalten, das die Bezeichnung Kunst verdiente. Hochinteressant und gewinnbringend waren für uns auch Aloys F. Gangkofners geliebte Exkursionen in die Antikglashütte Lamberts in Waldsassen.

Als seine Studenten hatten wir das Glück, seine freien Aufträge mitzugestalten und mitausführen zu dürfen.  Dieses Miteinbeziehen in seine Arbeiten kam unserer eigenen Entwicklung, Glas zu gestalten, zugute. Er eröffnete uns neue Perspektiven, mit Glas umzugehen und dieses als Material wirkungsvoll einzusetzen.

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FRANZ X. HÖLLER
Freischaffender Künstler

Lehrtätigkeit für Gestaltung an der Staatlichen Fachschule für Glasindustrie in Zwiesel.
Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München, 1973–1978

- - -Von entscheidender Bedeutung waren für mich die Studienjahre in Professor Gangkofners Abteilung Glas und Licht, und dies in mehrfacher Hinsicht. Dazu fällt mir als erstes Toleranz und Großzügigkeit ein, die mir dort widerfuhren. Bei unzähligen gemeinsamen Reisen und Atelierfesten hat Professor Gangkofner seine feinsinnige, heitere Lebensart mit uns Studenten geteilt. In Erinnerung ist mir ein mehrtägiger Arbeitsaufenthalt im Luxus-hotel Hilton in Basel zwecks Montage einer Lichtwand, als er bei der Abreise meinte: „Eigentlich ham ma uns jetzt wos Gscheits zum Essen verdient, mia fahr’n ins Elsass …!“ Im Raum 160 konnten wir ein Stück Geborgenheit erfahren. Glas war angesehen, ganz im Gegensatz zur hausinternen Reserviertheit, was angewandte Materialzusammenhänge betraf. Man konnte sich mit Themen auseinandersetzen, die im Werkstoff Glas plastischen Ausdruck erlaubten, um so zu einer eigenen Bildsprache zu finden. Professor Gangkofner hatte viel Geduld mit uns, tiefere Einsichten wurden oft erst beim Dämmerschoppen im Hahnhof in der Tengstraße gewonnen …! Seine künstlerische Ausrichtung war undogmatisch, die Zeichnung galt für ihn als Schlüssel zur bildnerischen Sensibilität, Glas-Licht-Raum-Beziehungen standen jedoch im Zentrum. Alles sollte fundiert sein, sich nicht allein über das Material definieren oder auf perfekte Handwerklichkeit verengen. Er sprach wenig von Kunst, eher von Grundhaltung, die sich in unseren Arbeiten glaubwürdig widerspiegeln sollte.

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RITA STONNER
Gymnasiallehrerin für Kunsterziehung

Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München, 1969–1973

- - -Gangkofner war ein Könner in der zeichnerischen Erfassung der verschiedensten Gefäßformen; da saß jeder Linienverlauf, ob links oder rechts geschwungen, in kürzester Zeit war eine ausgewogene, spannungsreiche neue Form entwickelt. Während der intensiven Arbeitsphasen an seinen Aufträgen konnte man miterleben,  wie ernsthaft, genau und detailliert eine Idee vom Gedanken über die Zeichnung bis hin zur Fertigstellung entwickelt wurde. Die Anspannung war ebenso spürbar wie die Freude über eine gelungene Arbeit.

Er verstand es sehr gut, seine eigene Begeisterung auf andere zu übertragen: Das konnte man auf den Studienfahrten nach Italien erleben, bei denen Studien- und Ferienatmosphäre eng beieinanderlagen. Nicht vergessen darf man seine Freude am Genießen. Gangkofner hatte ein sicheres Gespür für kulturelle und kulinarische Besonderheiten, womit er uns Studenten immer wieder Typisches und Interessantes fernab von touristischen Einrichtungen zeigte. So lernte ich auf diesen Fahrten Orte und Menschen kennen, die ich noch heute aufsuche.

Seine impulsive Art veranlasste ihn manchmal zu harscher Kritik, die jedoch nach einiger Zeit einer gewissen „Versöhnung“ Platz machte und mit einem Ausspruch in bayrisch humorvoller Art enden konnte. Diese Erinnerungen sind ganz persönlicher Art. Sicher hat jeder Gangkofner anders gesehen, doch trotz aller unterschiedlichen Sehweisen und Empfindungen dürfte eines bei jedem Studenten, der ihn näher kennengelernt hat, hängen geblieben sein: Er war ein guter, strenger Lehrmeister, einer der wenigen Professoren, denen man viel zu verdanken hat.

 - - -KERSTEN THIELER-KÜCHLE
Meisterschülerin von Professor Gangkofner

Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München, 1977–1982

- - -1977 lernte ich Professor Gangkofner an der Akademie kennen. Er war völlig anders als die anderen Professoren der Akademie, anders, als man sich einen Kunstprofessor vorstellt. Stets korrekt gekleidet, äußerlich überhaupt kein Bohemien, „akademisch-intellektuelles Gerede“ geradezu verabscheuend, war er ein Mensch, der sich in kein Klischee pressen ließ. Er konnte absolut begeistert und bewundernd sein über künstlerische Arbeiten, die ihm gefielen, er konnte ebenso vernichtend über Arbeiten urteilen, die seiner Meinung nach einfach „Schmarrn“ waren. Für eine junge Studentin wie mich war es nicht leicht, seinen Ansprüchen zu folgen, künstlerisch aber war es – aus meiner heutigen Sicht – eine gute Schule.

Die Klasse Glas und Licht hatte zwei große Räume im alten Akademiegebäude: zum einen die Glaswerkstatt im Keller, ausgestattet mit allen Maschinen für die Kaltglasbearbeitung, zum anderen das Atelier mit den Arbeitsplätzen der Studenten im ersten Stock, mit anschließendem Büro des Professors. Dieses Büro war das Heiligtum, man durfte es nur betreten, wenn man zu einem Glas Wein eingeladen wurde oder Wichtiges zu besprechen hatte.

Zu seiner künstlerischen Lehrtätigkeit erinnere ich mich an eine sehr beeindruckende Begebenheit: Ich arbeitete gerade an einem Glasobjekt, an dessen Form irgendetwas für mich nicht stimmte, als Professor Gangkofner in die Werkstatt kam, um meine Arbeit anzuschauen. Nach einem kurzen Blick auf meine unfertige Skulptur zog er ohne Worte sein Jackett aus, krempelte die Ärmel hoch, lockerte die Krawatte, nahm mir mein Werkstück aus der Hand und korrigierte mit schnellen, sicheren Bewegungen an der Schleifmaschine die Form, an der ich schon etliche Zeit experimentiert hatte. Es war die Linie, die ich suchte. Die Atmosphäre in unserer Klasse Glas und Licht war also sehr menschlich, sehr persönlich, wir waren „seine“ Studenten, und mit seinen Studenten machte Professor Gangkofner Exkursionen nach Italien, machte Hüttenwochenenden in den Bergen, Skiausflüge nach Südtirol oder auch Arbeitstage in Glashütten im Bayerischen Wald. Die Tage waren ziemlich ausgefüllt mit Besichtigungen, Zeichnen oder Arbeiten am Glasofen, die Abende ziemlich feucht-fröhlich mit Wein und oft auch Gesang. „Springt der Hirsch übern Bach …“ sein Lieblingslied – zu seinem Abschied bekam er einen lebensgroßen Hirschen von seinen Studenten – aus Gips.

- - -HELMUT VOGL
Freischaffender Künstler

Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München, 1977–1982

- - -Die Mappe, überreich gefüllt, kam erst mal nicht wie gedacht zum Einsatz, traf man Professor Gangkofner zum ersten Vorstellungsgespräch. „Komm rein.“, „Setz dich her.“, „Wo kommst denn her?“, „Was machen die Eltern?“, war seine Art des Willkommens. Was man sich auch immer unter Kunstakademie, Studium und Professor vorgestellt hatte, Aloys F. Gangkofner war überraschend anders. Glaubwürdig menschliche Nähe zulassend, Stil, Würde und Gelassenheit wahrend, wo anderen „das Messer in der Hose aufging“, kämpferisch, wenn er von der Qualität einer Sache, eines Studenten überzeugt war. „Der/Die is guad.“ Mit einem knappen Satz wurden mitunter komplexe Zusammenhänge treffend bezeichnet. Unerschöpflich sein Erfindungsreichtum, wenn es darum ging, gedanklicher Enge Tür und Tor zu öffnen. Immer war er da, und immer war er ansprechbar. Wer mit Glasmalerei arbeitete, lernte Problemstellungen der Malerei an sich kennen, wer plastische Arbeit mit Glas plante,  wurde zuerst ein Bildhauer.

Viele seiner Anregungen haben meine Arbeit nachhaltig inspiriert und finden noch heute in mancher Unterrichtsstunde Nachhall. Für eigene Arbeits- und Forschungsergebnisse fand man keinen interessierteren und respektvolleren Zuhörer. Frühzeitig konnten wir berufliche Praxis von ihm lernen, wenn wir ihn zu Installationen seiner Arbeiten begleiteten, und er unterstützte uns nach Kräften, wenn Dimension und Realisierung unserer Intentionen zusätzliche professorale Präsenz bei Ämtern, Firmen, Genehmigungsbehörden nötig machte. So bei der Verwirklichung des Beitrages von meiner Studienkollegin Natalie Fuchs und mir zum 175-jährigen Jubiläum der Kunstakademie München. Gemeinsam gestalteten wir ein Laserstrahlzeichen zum Thema „Licht und Raum“ im Stadtraum von München in Zusammenarbeit mit städtischen Behörden und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching.

Laserinstallation zur 175. Jahresfeier der Akademie der Bildenden Künste, München, 1985

Foto: Klaus Fischhold, Karlheinz Egginger

 - - -FRANZ WÖRLE
Bildhauer

Student bei Aloys F. Gangkofner, 1978–1984

- - - ALOYS GANGKOFNERS „GLASFONDUE“
Man nehme verschiedene Glassorten wie etwa Greyerzer, Emmentaler, Appenzeller, trockenen Weißwein, etwas Kirschwasser, Salz, Pfeffer, etwas Muskat, Weißbrot in Würfeln. Ferner eine Glas-Berghütte im Schnee mit sämtlichen notwendigen Einrichtungen – Schmelztiegel und Töpfe für Kühlflüssigkeiten und eine Handvoll Studenten. Nach erfolgter Vorbereitung und Schmelze des Materials zelebrierte nun der Meister Aloys Gangkofner am offenen Tiegel das Aufnehmen des Kölbels auf die Gabel-Pfeife, das Wickeln des Fadens und den krönenden Kirschwasserüberfang. Diese praktische Vorlesung des Glasmachens mit artverwandten Materialien fand bei umsitzendem Fachpublikum tobenden Beifall, Sitting Ovations. Zumal das vom Meister eben Erlernte nun selbst mit geeignetem Werkzeug praktisch erprobt werden konnte.